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Die US-Regierung schlägt Alarm: Al-Qaida plant Terroranschläge.
Das ist zwar an sich keine neue Erkenntnis, doch für die US-Regierung
offenbar ausreichend, fast zwei Dutzend ihrer Botschaften vorübergehend
zu schließen -
Von SEBASTIAN RANGE, 05. August 2013
„Das habe ich noch nicht erlebt“, kommentierte der frühere CIA-Beamte Robert Baer gegenüber dem Sender CNN
die ungewöhnliche Maßnahme. Die USA machten 22 Einrichtungen in 17
Staaten von Mauretanien in Nordwestafrika bis ins südasiatische
Bangladesch dicht. Deutschland, Großbritannien und Frankreich schlossen
ihre Botschaften im Jemen vorübergehend.
Der US-Geheimdienst
NSA, der weltweit für Empörung sorgte, nachdem dessen ehemaliger
Mitarbeiter Edward Snowden die uferlose Datensammelwut der Behörde
öffentlich machte, will geheime Kommunikationen zwischen führenden
Mitgliedern des Terrornetzwerkes Al-Qaida abgefangen haben. Darin sei es
um Terroranschläge auf amerikanische Einrichtungen gegangen. Angeblich
diskutierten Terroristen Attacken gegen Einrichtungen im Nahen Osten und
Nordafrika. Es sei ungewöhnlich, dass etwa E-Mails oder Handy-Gespräche
von höherrangigen Al-Qaida-Angehörigen über die Planung von Operationen
abgefangen worden seien - zumal in größeren Mengen, so die New York Times unter Berufung auf Regierungsbeamte. Nach Angaben des Senders ABC News
sollen Terroristen in einem abgehörten Gespräch gesagt haben, dass die
geplante Attacke „groß“ und „strategisch bedeutend“ sein werde.
Mehrere
Kongressmitglieder, darunter der Republikaner Saxby Chambliss, der
stellvertretender Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Senats
ist, sprechen von der schwersten Bedrohungslage seit Jahren. Immer
wieder fällt das Stichwort „9/11“, die Bezeichnung für die Anschläge am
11. September 2001.„Eine Entscheidung, so viele Botschaften
dichtzumachen und zugleich für einen Monat eine weltweite Reisewarnung
auszugeben, legt nahe, dass die Bedrohung real und in einem
fortgeschrittenen Stadium ist, es aber keine konkreten Hinweise auf den
Ort gibt“, analysiert Bruce Riedel, Sicherheitsexperte am
Brookings-Institut, die Situation. (1)
Entsprechend vage und
allgemein fällt die „weltweite Reisewarnung“ des US-Außenministeriums
aus. In aller Regel warnt das State Department vor Reisen in bestimmte
Länder. „Jüngste Informationen legen nahe, dass Al-Qaida und mit ihr
verbündete Organisationen weiterhin die Begehung terroristischer
Attacken im Nahen Osten, in Nordafrika und darüber hinaus planen”, heißt
es in der aktuellen Warnung, die für den gesamten August gilt. Die
Terroristen könnten sich dabei einer „Vielzahl an Mitteln und Waffen
bedienen“, und sie „sowohl gegen private wie öffentliche Interessen“
einsetzen. Da es keine konkreten Hinweise auf Anschläge gibt, ruft das
Außenministerium allgemein alle US-Bürger zu erhöhter Wachsamkeit auf,
ganz gleich, wo sie sich im Ausland befinden mögen. (2)
Günstiger Zeitpunkt
Analysten und US-Kongressmitarbeiter deuteten gegenüber der New York Times
an, eine Terrorbedrohung zum jetzigen Zeitpunkt sei ein guter Weg, um
von der Kritik an den NSA-Spionage-Programmen abzulenken. „Umso besser“
sei es, wenn zugleich deutlich gemacht werden könne, dass die
NSA-Aktivitäten ein mögliches Terrorkomplott aufgedeckt hätten. (3)
Ein
Schelm, wer Böses dabei denkt. Grundsätzlich ist fraglich, warum
US-Terrorfahnder, die an führenden Al-Qaida-Mitgliedern „dran“ sind, die
angeblich Anschläge planen, dies in alle Welt hinausposaunen sollten.
Die weltweiten Terrorwarnungen, die dem Anschein nach auf der maximalen
Erkenntnis basieren, dass Al-Qaida etwas Böses im Schilde führt, sind
offenkundig politisch motiviert. Sie bezwecken, das ramponierte Image
der US-Regierung aufzupolieren und den weltweiten Spionageprogrammen der
NSA Legitimität zu verschaffen. Kaum überraschend warnen US-Politiker
angesichts der angeblichen aktuellen Bedrohung vor einer Einschränkung
der Schnüffelei.
So sagte der republikanische Senator Lindsey Graham am Sonntag dem Sender CNN,
die jüngste Entwicklung zeige, wie wichtig es sei, die
Spionageprogramme fortzusetzen. Mit dem Schüren einer weltweiten
Terrorpanik und dem Beschwören eines neuen „9/11“ tritt die
Obama-Administration die Flucht nach vorne an und versucht, eine
„Win-Win“-Situation herbeizuführen. Kommt es zu keinen größeren
Anschlägen, so lässt sich auf die Nützlichkeit der NSA-Spionage
verweisen, dank derer die Pläne der Terroristen durchkreuzt worden
seien. Kommt es aber doch zu einer terroristischen Attacke, so wird
sofort der Ruf nach dem Ausbau des Geheimdienststaates laut werden.
Und
diejenigen, die sich weiterhin gegen die Abschaffung der Bürgerrechte
engagieren, werden sich in einem solchen Fall von den Neokonservativen
den Vorwurf einhandeln, Helfershelfer der Terroristen zu sein. Es ist
schon beinahe zu einem Ritual geworden: Wann immer in den vergangenen
Jahren in den Vereinigten Staaten Zweifel an der Sinnhaftigkeit der
umfassenden Überwachungsmaßnahmen laut wurden, von denen jeder Bürger
betroffen ist, konterte die US-Regierung mit dem
9/11-Schreckensgespenst. Vor zwei Wochen war im US-Abgeordnetenhaus der
Antrag, der NSA straffere Zügel anzulegen, mit 205 zu 217 Stimmen knapp
gescheitert. Während NSA-Direktor im Vorfeld der Abstimmung in
Geheimtreffen Druck auf Abgeordnete ausübte, schwang der Vorsitzende im
Sicherheitsausschuss, Mike Rogers, die Keule des moralisch Empörten:
„Sind zwölf Jahre vergangen und unsere Erinnerungen so sehr verblasst,
dass wir vergessen haben, was am 11. September geschah?“ (4)
Da
Al-Qaida seit dem 11. September 2001 nicht in der Lage oder nicht
Willens war, in den USA Anschläge durchzuführen, mussten die US-Behörden
selbst Hand anlegen, um eine permanente Terrorgefahr aufrecht erhalten
zu können. Wie die New York Times vor einem Jahr berichtete,
sind fast alle der in den Vereinigten Staaten nach 9/11 verhinderten
Terroranschläge vom FBI selbst inszeniert worden. (5) Um einer
weltweiten Empörung den Wind aus den Segeln zu nehmen, bedarf es
entsprechend einer weltweiten Gefährdungslage – wie nun von der
US-Regierung behauptet.
Die von den USA behauptete Gefahr eines
„strategischen Anschlags“ gegen „US-Interessen“ ist auch dazu geeignet,
das eigene beschädigte Ansehen in einer anderen Hinsicht wieder
aufzupolieren: Da es bis in den Medien-Mainstream vorgedrungen ist, dass
Al-Qaida gegenwärtig im Nahen Osten, insbesondere in Syrien, für die
US-Interessen kämpft (6), kann es aus Sicht der US-Regierung – und auch
Al-Qaidas – nicht schaden, der Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen,
dass beide Parteien doch an sich Feinde seien. Sonst könnte noch so
mancher auf die Idee kommen, dass der von den USA geführte „Krieg gegen
den Terror“ im Wesentlichen eine zweckdienliche Inszenierung ist, um die
eigenen (geopolitischen) Interessen durchzusetzen. (7)
Anmerkungen
(1) http://www.nytimes.com/2013/08/03/world/middleeast/qaeda-messages-prompt-us-terror-warning.html?_r=3&
(2) http://travel.state.gov/travel/cis_pa_tw/pa/pa_6042.html
(3) http://www.nytimes.com/2013/08/03/world/middleeast/qaeda-messages-prompt-us-terror-warning.html?_r=3&
(4)
Siehe dazu:
http://www.hintergrund.de/201307252719/kurzmeldungen/aktuell/nsa-darf-telefongespraeche-von-us-buergern-weiterhin-ueberwachen.html
(5) http://www.nytimes.com/2012/04/29/opinion/sunday/terrorist-plots-helped-along-by-the-fbi.html?pagewanted=all&_r=0
(6) Siehe dazu: http://www.hintergrund.de/201307042664/politik/welt/gewollte-spaltung.html
(7)
Siehe dazu:
http://www.hintergrund.de/201208132194/politik/welt/syrien-schlachtfeld-international-agierender-dschihadisten.html
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