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Kaum ein Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung sind
Muslime. Im Wahlkampf der Republikaner spielen sie dennoch eine wichtige
Rolle – als Feindbild, nicht als potentielle Wähler. Dahinter steckt
vor allem ein Wahlkämpfer, den kaum jemand kennt –
Von FABIAN KÖHLER, 10. März 2016 –
Es passiert den Moderatoren des TV-Senders Fox-News
wahrscheinlich nicht allzu oft, dass es ihnen vor lauter
Menschenverachtung die Sprache verschlägt. Donald Trump hat es
geschafft. In einem Telefoninterview Anfang Dezember danach gefragt, wie
er im Krieg gegen den Islamischen Staat (IS) zivile Opfer vermeiden
wolle, antworte Trump, wie er gezielt Zivilisten umbringen werde:
„Die benutzen menschliche Schutzschilde, das ist eine schreckliche
Sache. Aber wir kämpfen einen überaus politisch korrekten Krieg. Die
Sache bei den Terroristen ist, du musst ihre Familien töten. Wenn die
sagen, ihnen ist ihr Leben egal, dann musst du ihre Familien töten.“ (1)
In der Rollenverteilung des US-Präsidentschaftswahlkampfes mag das
nicht allzu sehr verwundern, gilt der Immobilien-Tycoon doch ohnehin als
einer, der eher durch Absurditäten als durch konstruktive politische
Vorschläge Schlagzeilen macht. Doch auch seine Verfolger im Rennen um
die republikanische Präsidentschaftskandidatur versuchen mit immer
unmenschlicheren Vorschlägen, Wähler auf ihre Seite zu ziehen.
Eigene Ausweise für Muslime
So hemmungslos wie in keinem Wahlkampf zuvor unterbieten sich die
Kandidaten der Grand Old Party vor allem mit Ankündigungen, welchen
Repressionen sie Muslime diesseits und jenseits der US-amerikanischen
Grenze im Falle ihres Wahlsieges aussetzen wollen. Nicht nur bei der
Zahl der Delegiertenstimmen, auch bei der Ankündigung von Maßnahmen
gegen Muslime galt Trump lange Zeit als kaum einholbar: In seinem
TV-Spot forderte er die „vollständige Schließung“ der US-Grenzen für
Muslime. (2) Muslime, die schon in den USA lebten, sollen seinen Plänen
zufolge in einer Datenbank erfasst werden und spezielle Ausweise tragen.
Trump erfand Fernsehbilder, auf denen Tausende Muslime in New Jersey
zu sehen gewesen sein sollen, die die Anschläge vom 11. September 2001
bejubelten. Er forderte Terrorverdächtige auch dann zu foltern, wenn
keine Chance auf Informationen und Geständnisse bestehen, einfach weil
„sie es sowieso verdienen dafür, was sie uns angetan haben.“ (3)
Cruz macht Flüchtlinge zu Dschihadisten, die Amerikaner ermorden wollen
Es ist eine der Folgen des radikalen Wahlkampfes Donald Trumps, dass
Kandidaten wie Ted Cruz, die in Deutschland wohl als rechtsextrem gelten
würden, momentan als gemäßigte Alternative zu Trump wahrgenommen
werden. In einem Punkt war das der Senator von Texas tatsächlich einmal:
Lange Zeit hat Cruz Folter abgelehnt. Bis er bei einer TV-Debatte
Anfang Februar in New Hampshire schließlich doch einknickte. Lediglich
eine „ausgedehnte“ Anwendung des Warterboarding wollte er da noch
ausschließen. (4)
In anderen Fragen geht der baptistische Fundamentalist noch deutlich
über Trump hinaus. Im Januar kündigte Cruz an, im Falle seiner Wahl den
IS mittels eines Flächenbombardements des Irak zur Strecke bringen zu
wollen. Flüchtlinge aus dem Nahen Osten will er danach nicht aufnehmen.
Cruz' Kommentar zu Plänen der Obama-Regierung, zehntausend syrische
Flüchtlinge ins Land zu lassen: „Es wäre der Höhepunkt der Torheit,
Zehntausende Menschen zu uns zu bringen, Dschihadisten eingeschlossen,
die hier herkommen, um unschuldige Amerikaner zu ermorden.“
Ein gescheiterter Mitarbeiter des Pentagon bestimmt die Islam-Debatte
Ein Grund dafür, dass Trump und Cruz die Stimmungsmache gegen Muslime
als Wahlkampftaktik entdeckt haben ist, dass sie denselben Berater
haben: Frank Gaffney ist einer der Superstars der islamophoben Szene der
USA. Sein „Center for Security Policy“ produziert reihenweise
passgenaue Studien für jede noch so absurde islamfeindliche politische
Forderung. Trump begründete seine Forderung, Muslimen die Einreise zu
verweigern und jene, die schon da sind, in Datenbanken zu speichern, mit
einer von Gaffneys „Studien“. Diese habe ergeben, dass „ein Großteil“
der muslimischen Bevölkerung der USA ihr Land hasse und bereit sei,
gewaltsam gegen die USA vorzugehen, erklärte Trump Ende Dezember. (5) In
Wahrheit handelte es sich bei Gaffneys „Studie“ um eine nicht
repräsentative und unwissenschaftliche Online-Umfrage mit sechshundert
Teilnehmern, die schon wenig später von echten Wissenschaftlern als
Propaganda entlarvt wurde. (6) Auch Ted Cruz sucht Gaffneys Nähe:
Mindestens zweimal (in Iowa und South Carolina) trat er während seines
Wahlkampfes auf Veranstaltungen von Gaffneys Institut als Redner auf.
Seit Anfang der 1990er Jahre versucht Frank Gaffney, der unter Reagan
erfolglos bemüht war, Karriere im Verteidigungsministerium zu machen,
die Debatte um alles, was mit Islam zu tun hat, mitzubestimmen. Sein
größter Coup gelang ihm im Jahr 2008 als er während des
Präsidentschaftswahlkampfes mit einer Kolumne in der Washington Times
die Verschwörungstheorie in die Welt setzte, der damalige
Präsidentschaftskandidat Barack Obama sei muslimischen Glaubens. (7) Als
prominentester Anhänger der Verschwörungstheorie galt lange Zeit Donald
Trump.
Auch viele andere der in den USA populärsten Verschwörungstheorien zu
Muslimen stammen von Gaffney und seinem Center for Security Policy:
Alle politisch relevanten Muslime in den USA seien Funktionäre der
Muslimbruderschaft. (8) Die nationale Raketenabwehr-Behörde „Missile
Defense Agency“ (MDA) versuche sich mit einem Halbmond im Logo an
Muslime anzubiedern. (9) Achtzig Prozent aller US-amerikanischen
Moscheen seien „radikalisiert“. So schnell all diese Thesen nach ihrer
Veröffentlichung widerlegt wurden, so viel Eindruck machen sie dennoch
auf republikanische Wähler.
Vierzig Prozent der republikanischen Wähler wollen „den Islam“ verbieten
Bei der Vorwahl in New Hampshire nach Trumps Vorschlägen gefragt,
stimmten zwei Drittel aller befragten republikanischen Wähler der
Forderung zu, Muslimen die Einreise in die USA zu verwehren. Bei einem
Exit-Poll in North Carolina forderten 72 Prozent der republikanischen
Befragten, Muslime vom Rennen um die US-Präsidentschaft auszuschließen.
Vierzig Prozent wollten den Islam in den USA sogar gleich ganz
verbieten. (10)
Vor allem ein Thema eint republikanische Kandidaten und Wähler: die
vermeintliche Bedrohung durch die Scharia. Wie kaum ein anderer hat
Frank Gaffney es in den letzten Jahren geschafft, das Klischee vom
islamischen Handabhacker-Recht auf die politische Agenda der USA zu
setzen. Sein 2010 erschienenes Buch Sharia: The Threat to America ist die zweite Bibel der islamophoben Szene in den USA. (11)
Auch Rubio hat dem Druck der Wähler nach mehr Islamfeindlichkeit nachgegeben
Spätestens seit diesem Wahlkampf sind deshalb auch republikanische
Kandidaten, in deren Wahlkampf Islamfeindlichkeit ursprünglich keine
Rolle spielte, gezwungen, Vorhaben kundzutun, wie sie die vermeintliche
Ausbreitung des islamischen Rechts eindämmen wollen. Auch Marco Rubio,
der in deutschen Medien als gemäßigter Konservativer und
Wunschalternative zu Trump gilt, gehört dazu. Lange Zeit war der Senator
von Florida bemüht, sich von den rassistischsten Forderungen seiner
Konkurrenten zu distanzieren. Trumps Vorschlag, Muslime in Datenbanken
zu speichern, lehnte er öffentlich genauso ab wie Gaffneys
Verschwörungstheorie, dass die Muslimbruderschaft Washington
unterwandert habe. (12)
Doch während des Wahlkampfes gab auch Rubio dem Druck der Wähler nach mehr Islamfeindlichkeit nach: Als ihn im November eine Fox-News-Moderatorin
auf die Trump-Forderung ansprach, im Kampf gegen den IS Moscheen in den
USA schließen zu wollen, zog dieser sogar noch an Trump vorbei: „Es
geht nicht nur darum, Moscheen zu schließen. Es geht darum, jeden Ort zu
schließen – sei es ein Café, ein Restaurant –, jeden Ort, an dem
Radikale inspiriert werden.“
Islamfeindliche Übergriffe haben sich verfünffacht
Spätestens seit Anfang Februar versucht auch Rubio offensiv mit
islamfeindlicher Rhetorik Stimmen zu sammeln. Bei einem
Wahlkampfauftritt in Iowa gab auch er sich erstmals als
Anti-Scharia-Kämpfer. Als Barack Obama am 2. Februar in Baltimore eine
Moschee besuchte, warnte Rubio vor der „Fiktion, dass es eine weit
verbreitete Diskriminierung muslimischer Amerikaner“ gebe, und warf dem
Präsidenten vor, vom eigentlichen Problem – dem „radikalen Islam“ –
ablenken zu wollen. (13) Zuletzt hatte zum Beispiel die jährliche
FBI-Kriminalitätsstatistik das Gegenteil belegt. (14) Ihr zufolge hat
sich die Zahl islamfeindlicher „Hate-Crimes“ pro Jahr seit den
Anschlägen vom 11. September 2001 verfünffacht. Muslime sind demnach die
einzige Minderheit in den USA, die jährlich einer steigenden Anzahl von
Angriffen ausgesetzt ist.
Darauf, dass sich Islamfeindlichkeit dennoch lohnt, hat auch der
mittlerweile ausgeschiedene Präsidentschaftskandidat Ben Carson
hingewiesen. Im September letzten Jahres sagte der damalige Favorit im
Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur während einer
TV-Debatte, dass er sich keinen Muslim als US-Präsidenten vorstellen
könne. Tage später auf CNN nach Spendeneingängen gefragt,
antwortete Carson: „Das Geld kam so schnell herein, es war schwer, den
Überblick zu behalten.“ (15)
Anmerkungen
(1) https://www.youtube.com/watch?v=I1eXRXL0nkk
(2) http://time.com/4165887/trump-first-ad-muslims/
(3) https://www.youtube.com/watch?v=OQchXyKADak
(4) http://www.cbsnews.com/news/transcript-eighth-republican-debate-new-hampshire-2016/
(5) https://www.washingtonpost.com/politics/donald-trumps-provocative-first-tv-ad-raises-the-temperature-of-gop-race/2016/01/03/873cceb8-b243-11e5-a76a-0b5145e8679a_story.html
(6) http://bridge.georgetown.edu/new-poll-on-american-muslims-is-grounded-in-bias-riddled-with-flaws/
(7) http://www.washingtontimes.com/news/2009/jun/09/americas-first-muslim-president/
(8) http://www.centerforsecuritypolicy.org/wp-content/uploads/2015/03/Agent_of_Influence_4th_Edition.pdf
(9) https://web.archive.org/web/20100303144729/http://biggovernment.com/fgaffney/2010/02/27/it-cant-be-true-more-on-that-missile-defense-agency-logo
(10) http://takingnote.blogs.nytimes.com/2015/09/29/new-poll-finds-anti-muslim-sentiment-frighteningly-high/?_
(11) http://www.thedailybeast.com/articles/2012/07/23/bachmann-gaffney-and-the-gop-s-anti-muslim-culture-of-conspiracy.html
(12) http://www.salon.com/2012/07/19/rubio_condemns_bachmann/
(13) https://www.youtube.com/watch?v=aVQxwzpbLfM
(14) https://www.fbi.gov/about-us/cjis/ucr/hate-crime/2014/topic-pages/victims_final
(15) http://edition.cnn.com/2015/09/23/politics/ben-carson-fundraising-muslim-comments-fox-and-friends/
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