Dienstag, 17. Juli 2018

Die Gülen-Bewegung und der Putschversuch in der Türkei - Nicht einfach ein harmloser Bildungsverein

Im Westen stößt der Vorwurf, die Gülen-Bewegung sei für den Putschversuch von Juli 2016 in der Türkei verantwortlich, bis heute auf Skepsis. Ein neues Buch zeigt aber, dass es der Bewegung nie allein um Dialog und Bildung ging, sondern schon immer um die Kontrolle des Staates. Ulrich von Schwerin hat es gelesen.

Noch immer besteht keine völlige Klarheit über die Geschehnisse, und auch in Deutschland kursieren dazu weiter wilde Verschwörungstheorien. Umso gelegener kommt daher das Buch "Turkey's July 15. Coup – What happened and why", das jüngst von der Universität Utah veröffentlicht wurde. Der von den Politologen Hakan Yavuz und Bayram Balci herausgegebene Sammelband ist die erste umfassende Untersuchung des Staatsstreichs, vor allem aber die erste wissenschaftliche Studie zur Gülen-Bewegung seit dem Putschversuch.

Politische Ambitionen lange unterschätzt
Ein harmloser Bildungsverein also? In der Türkei sorgte das Interview für ungläubiges Kopfschütteln. Die Überzeugung, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch steckt, beschränkt sich keineswegs auf Erdoğans AKP, sondern wird von fast allen Parteien und Medien geteilt. Nun kann man natürlich einwenden, dass es in der Türkei kaum noch die Freiheit gibt, der Darstellung der Regierung zu widersprechen. Umso wichtiger ist daher die Einschätzung unabhängiger Experten, wie sie sich in dem nun vorgelegten Buch finden.
Durch die Arterien des Systems bewegen
Schon seit den 1980er Jahren strebten seine Anhänger in den Staatsdienst. Gleich mehrfach wird in dem Buch eine Rede Gülens zitiert, in der er seine Anhänger auffordert, "sich durch die Arterien des Systems zu bewegen", bis sie "alle Zentren der Macht" erreicht haben. Erst wenn "die Zeit reif" sei, dürften sie sich zu erkennen geben, mahnte Gülen in der Rede, die 1999 an die Öffentlichkeit gelangte.


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