Samstag, 13. Oktober 2018

Wie viel NSDAP steckt in der AfD?

1932 steigt die NSDAP in freien Wahlen von einer rechtsextremen Splitterpartei zur stärksten Kraft auf. Waren die Nationalsozialisten – was Mitglieder und Wähler betrifft – wirklich Ausdruck eines „Extremismus der Mitte“?

...... Obwohl die AfD sicherlich nicht mit den Nationalsozialisten gleichgesetzt werden kann und sie zumindest anfänglich eine demokratisch orientierte, fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Partei war, können Vergleiche der Wählerschaft beider Parteien doch unter verschiedenen Gesichtspunkten erkenntnisfördernd sein. Unterschiede, möglicherweise aber auch Gemeinsamkeiten werden erkennbar.

........ Um es vorweg klarzustellen: Die AfD-Wählerschaft mit der der NSDAP zu vergleichen heißt nicht, sie mit ihr gleichzusetzen. Es ist ein Fehler, der gerade auch in der historischen Debatte oft begangen wird, wenn man von der unvergleichlichen Inhumanität des NS-Regimes oder der Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Verbrechen spricht und damit eine Art Vergleichsverbot aufstellt. Das jedoch ist ein Widerspruch in sich, da man die Einzigartigkeit eines historischen Phänomens nur feststellen kann, wenn man es zuvor mit anderen, ähnlichen Ereignissen verglichen hat. Der Vergleich ist eine notwendige Operation, um Dinge einordnen und das historisch Einmalige bestimmen zu können. Der systematische Vergleich hat zudem nur Sinn, wenn er ergebnisoffen durchgeführt wird.

..... Von ihrer sozialen Zusammensetzung her gesehen war die NSDAP folglich alles andere als eine homogene Partei, sondern eine Art „Volkspartei mit Mittelstandsbauch“. Weder ihre Wähler noch ihre Mitglieder stammten zur Gänze oder auch nur weit überwiegend aus einer einzigen sozialen Schicht.
...... Gemessen am Bevölkerungsdurchschnitt, entspricht der Arbeiteranteil unter den AfD-Wählern somit ziemlich exakt dem der NSDAP-Wähler von 1932.

...... Die institutionelle Instabilität der Weimarer Republik, die Unfähigkeit der Weimarer Parteien, stabile Koalitionen zu schließen, die scheinbare Machtlosigkeit der Reichsregierung angesichts der Weltwirtschaftskrise wie auch die Spaltung der politischen, intellektuellen und gesellschaftlichen Eliten in Republikgegner und Republikbefürworter ebneten der radikalen Systemfeindin NSDAP den Weg. Bei weitem nicht alle, die ihr die Stimme gaben oder sich ihr als Mitglieder anschlossen, dürften in der Wolle gefärbte Nationalsozialisten gewesen sein. Ein nicht geringer Teil ihrer Wähler stimmte vermutlich für sie aus Protest. ...... Protest ist es auch, der viele Wähler der AfD motiviert, für diese Partei am rechten Rand des politischen Spektrums zu stimmen. Auch die AfD profitiert von den Sorgen und Ängsten weiter Kreise der Bevölkerung. War es zunächst die Sorge, dass der Euro-Rettungskurs der Kanzlerin nicht beherrschbare Risiken für die Stabilität unserer Währung und unseren Wohlstand mit sich bringe, so befeuerte ab Herbst 2015 die Angst vor nicht beherrschbaren Risiken einer ungeordneten Masseneinwanderung die Wahlerfolge der AfD. Angst vor Terrorismus, steigenden Kriminalitätsraten, aber auch Abwehrreaktionen gegen die als wesensfremd empfundene Religion und Kultur des Islams finden sich bei Anhängern der AfD weitaus häufiger als im Durchschnitt der Bevölkerung. Hinzu stießen zunehmend politisch entfremdete und radikalisierte Wähler, die den etablierten Parteien längst den Rücken gekehrt hatten.

Einerseits gilt: Berlin ist nicht Weimar. Andererseits gibt es Gefährdungen, die nicht unterschätzt werden sollten: Wie schnell sich ein politisches Klima wandeln kann, zeigen die Erfolge der Populisten in Frankreich, Holland, Großbritannien, den Vereinigten Staaten oder Österreich. Die Anzeichen einer allmählichen Erosion der Grundfesten des demokratischen Systems im Westen sind unübersehbar – und Deutschland ist keine Insel.


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