Freitag, 2. November 2018

Entmenschlichung Alle Schwarzen Menschen in Deutschland sind in Gefahr

Wie wurden Versklavung und Kolonialisierung mit der christlichen Nächstenliebe vereinbart? Wie lässt sie sich mit der aktuellen Flüchtlingspolitik vereinbaren? Warum und mit welchen Folgen? Von Sami Omar

Samuel Thomas von Soemmerring (1755–1830) legt seine Stirn in Falten. Gerade hat er einen „Mohrenkörper zergliedert“ und nun drängt die Zeit. Das Auditorium im Kasseler Ottoneum, wartet gespannt auf seinen Professor der Anatomie, während dieser eine Entscheidung zu treffen hat...….

Moralisch-ethisches Problem

Denn mit der Verschleppung, Misshandlung und Versklavung afrikanischer Menschen durch europäische und amerikanische Europäer sahen sich diese stark christlich geprägten Gesellschaften mit einem moralisch-ethischen Problem konfrontiert. Das christliche Gebot der Liebe zum Nächsten ging mit der Unterjochung und Misshandlung „fremder Völker“ nicht gut zusammen. Es kam die Frage auf, ob man sich nicht an ihnen versündige und damit wider seinen eigenen Glauben handelt.
……. Schon der Arzt François Bernier (1625-1688) arbeitete an einem Ranking der Menschenrassen und legte den Grundstein für die Überlegung, den Afrikaner zum Verbindungsstück, zur Zwischenform von Affe und Mensch zu machen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) war der Meinung: „Der Neger stellt den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar. […] Es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden.“...

….. Lösung des Problems
Immanuel Kant (1724-1804) schrieb: „Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind weit tiefer, und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften. […] Die Negers von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege.“
…. Die Reduktion des Afrikaners zur kreatürlichen Zwischenstufe vom Affen zum Menschen bot christlichem Handeln in der Kolonialisierung afrikanischer Staaten später auch die Möglichkeit, die Unterjochung und wirtschaftliche Nutzbarmachung der Bevölkerung der Kolonien in einen Akt christlicher Gnade, christlichen Dienstes an den „Geringsten“ der Schöpfung umzudeuten.
….. Aktuelle Entmenschlichung
Über die Jahrhunderte verschob sich die Missachtung schwarzer Menschen in Mitteleuropa nur wenig. In den Menschenschauen mitteleuropäischer zoologischer Gärten wurden Schwarze Menschen ausgestellt, die für die Exotik der Kolonien werben und zur Anschauung des Fremden, Wilden dienen sollten. Wissenschaftler und Philosophen waren in weiten Teilen auch in Deutschland nach 1945 noch von der Vorstellung des „Negers“ als rückständig und zur Vernunft unbegabt durchdrungen. 
In heutigen Debatten über Migration aus afrikanischen Ländern nach Europa greifen letztlich dieselben Mechanismen der zweckdienlichen Entmenschlichung. Die Reduktion Afrikas auf Armut, Krankheit und Debilität hat deshalb System, weil sie die mitteleuropäische Gesellschaft von dem Gebot der Solidarität unter Menschen entbindet. Die Wertigkeit, die an afrikanisches Leben aus europäischer Sicht gebunden ist, reduziert sich und macht es somit möglich, Fluchtbewegung und Tod hinzunehmen und gleichzeitig das Selbstbild als christliche-humanistische, als aufgeklärte Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Das Gebot der Nächstenliebe ist hier in dem Gebot der gesellschaftlichen Solidarität aufgegangen. Je mehr nun diese Gesellschaft sich als Volk, als homogene Entität versteht, desto weniger stört sie das Sterben derer, die ihr nicht angehören. Nach diesem Verständnis sind alle Schwarzen Menschen in Deutschland in Gefahr!

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