Dienstag, 8. Oktober 2019

Edward Said - Im Exil zwischen Kulturen

Der Name Edward Said wird in der Regel mit seiner Kritik am Orientalismus in Verbindung gebracht. Angesichts dessen rückt das Thema des Exils oft in den Hintergrund, welches jedoch eine nicht minder zentrale Rolle in Saids Schreiben und Leben einnimmt. Von Tarek Azizeh

"Das Leben im Exil verläuft nicht entlang der Chronologie unseres vertrauten Kalenders. Es ist azyklisch und unbeständig. Exil bedeutet ein Leben außerhalb der gewohnten Ordnung, nomadisch und ohne festen Ankerpunkt. Doch sobald sich der Mensch an das Exil gewöhnt, wird er stets aufs Neue von der ihm innewohnenden destabilisierenden Kraft erschüttert." (Edward Said)

…. In seiner Eigenschaft als US-Bürger stellte er sich entschieden gegen die Politik aufeinanderfolgender US-Regierungen in Bezug auf die arabische Welt und insbesondere gegen die Regierung unter George W. Bush und den Irakkrieg. "Es scheint", so Said, "als seien unsere [amerikanischen] politischen Machthaber und ihre intellektuellen Lakaien nicht in der Lage zu begreifen, dass die Geschichte keine Schultafel ist, von der wir alles bisher Geschriebene nach Belieben löschen können, um dann unsere eigene Vorstellung der Zukunft darüber zu kritzeln und unseren Lebensstil anderen Menschen und Gesellschaften dieser Welt aufzuzwingen. Ohne die Auffassung, dass diese anderen Menschen dort nicht wie 'wir' seien und 'unsere' Werte nicht teilen würden - eine Auffassung, die durch die Ideologie des Orientalismus geformt und verfestigt wurde,- hätte es diesen Krieg nicht gegeben."

…. Das Kernstück seines intellektuellen Schaffens ist zweifelsohne Saids Kritik am Orientalismus. Das Buch "Orientalism" (1978) war der Auftakt der wissenschaftlichen Untersuchung und Kritik des gleichnamigen Phänomens. Eine zentrale Feststellung des Buches ist, dass der überwiegende Anteil der orientalistischen Forschung nicht das wiedergibt, was der Orient in seiner Komplexität ist, sondern vielmehr das, was die Forschenden darin sehen wollen.
Statt einer objektiven, realistischen Darstellung des Orients präsentiert diese Forschung, laut Said, ein von vorgefertigten Bildern und kolonialistischen Interessen durchzogenes Zerrbild. Somit lässt sie sich als ein imperialistisches Kulturprojekt verstehen, welches durch die aus den Kolonialländern stammenden Forschenden mitgetragen wurde.

… Er erläutert, dass unter den Orientalisten, die "in die Länder des Orients kamen, zwei Dogmen vorherrschend waren: Zum einen gegen die heimische Kultur dieser Länder und zum anderen gegen die Befreiung dieser Länder vom westlichen Kolonialismus. Hinzu kommt das Übel, dass sie für die größeren Zusammenhänge und Ereignisse in den Ländern, die sie besuchten, völlig blind waren."

… Nicht unerwähnt bleiben sollte sein letzter Artikel "L’humanisme, dernier rempart contre la barbarie" (Humanismus – das letzte Bollwerk im Angesicht der Barbarei). In dem Text, der im September 2003, kurz vor seinem Tod (er starb am 25. September 2003 nach langer Krankheit an Krebs), in der französischen Zeitschrift Le Monde Diplomatique erschien, schreibt er:
"Ich nannte das, was ich zu tun versuchte 'Humanismus'. Ein Wort, auf das ich trotz seiner höhnischen Ablehnung durch weltkluge postmoderne Kritiker immer noch bestehe. Der Humanismus lebt von Eigeninitiative und persönlicher Intuition, nicht von der bloßen Rezeption von Ideen und blinder Ehrfurcht vor Autoritäten. Der Humanismus ist unsere einzige, wenn nicht sogar unsere letzte Bastion gegen unmenschliche Politiken und Praktiken, die die Geschichte der Menschheit zu verderben drohen."

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