Freitag, 18. Oktober 2019

Charlotte Wiedemann: "Der lange Abschied von der weißen Dominanz" Teilen im globalen Maßstab

Die Journalistin Charlotte Wiedemann hat mit "Der lange Abschied von der weißen Dominanz" ein Buch geschrieben, das die Umbrüche einer multipolaren Welt klarsinnig beschreibt. Christopher Resch hat es gelesen.

...... "Weiße Dominanz zeigt sich im Verbrauch von Ressourcen, in Wirtschaftsmacht und Finanzströmen, in der Deutung von Konflikten, in der Geschichtsschreibung. Auf all diesen Feldern bricht ein neues Zeitalter an", schreibt Wiedemann. Jahrhundertelang hat der Europäer den Globus machtpolitisch dominiert, ihn mit der kapitalistischen Marktwirtschaft überzogen, die bis heute vor allem einem zugutekommt: ihm selbst. Die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen beginnt erst jetzt, und das Bewusstsein dafür, dass unsere Wirtschaft bis heute von kolonialen Strukturen getragen wird, entwickelt sich träge und zäh. Die neue Welt, sie ist multipolar und hochkomplex. Ja, das kann Angst machen und einschüchtern. Doch dass die Welt sich so dramatisch ändert, ist laut Wiedemann alternativlos. "Es gibt kein Zurück in die gemütlichen Eindeutigkeiten."

..... Da ist zum einen das demografische Argument: "Ein gravierendes Ungleichgewicht wird jetzt in eine bessere Balance gebracht." Eine Minderheit von 510 Millionen EU-Europäern und 325 Millionen US-Amerikanern dominiert nicht mehr die Geschicke einer Menschheit von bald acht Milliarden.

.... In Zeiten des Umbruchs haben die Menschen sich schon immer der eigenen Identität versichert, indem sie auf Schwächere blickten. Während der noch bis ins 20. Jahrhundert andauernden Menschenschauen galt das sogar wörtlich. Zwar gibt es Rassismus in jeder Gesellschaft und Gruppe. "Doch die systematische Abwertung anderer Kulturen, gestützt durch Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen, Militär und über einen unfassbar langen Zeitraum, das ist weißes Erbe", so Wiedemann.

..... Am Ende steht eine Erkenntnis, die auch viele Menschen im Westen fühlen: dass der auf Profitmaximierung angelegte Kapitalismus so nicht mehr funktioniert. Weil er Arbeitsbedingungen schafft, "die Abertausend Menschen krank machen, verletzen oder ihnen sogar den Tod bringen, ohne dass dafür jemand verantwortlich sein will."

...... "Wir brauchen eine Vision von Respekt und von Teilen im globalen Maßstab", sagt Charlotte Wiedemann, und es müsse ein machbares Teilen sein, akzeptabel auch für Benachteiligte hierzulande.

Artikel in qantara.de

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