Das
eigentliche Ziel hinter hybriden Kriegen ist es, multipolare,
transnationale, verbindende Projekte durch von außen provozierte
Identitätskonflikte (ethnisch, religiös, regional, politisch, u.s.W.)
innerhalb des betroffenen Staates zu zerstören, von Andrew Korybko.
Hybride
Kriegsführung ist eine der signifikantesten strategischen
Entwicklungen, die in den USA bisher vorangetrieben wurde. Die
Entwicklung von
Farbrevolutionen hin zu unkonventionellen Kriegen ist vermutlich einer
der wesentlichen Destabilisierungsmechanismen der nächsten Jahrzehnte.
Wer Geopolitik nicht aus dem Blickwinkel hybrider Kriege betrachtet, hat
Schwierigkeiten zu erkennen, wo es vermutlich zum nächsten Krieg kommen
wird. Dabei ist es nicht wirklich schwer, die Regionen und Länder zu
identifizieren, in denen das Risiko einer Bedrohung durch diese neue
Form der Agression, am höchsten liegt. Der Schlüssel für eine derartige
Vorhersage liegt darin, zu akzeptieren, dass es sich bei hybriden
Kriegen um von außen angeheizte, asymetrische Konflikte handelt, um
geo-ökonomische Interessen zu sabotieren. Beginnt man eine Analyse auf
dieser Basis, ist es relativ einfach, die nächsten Angriffsziele
punktgenau zu lokalisieren.
In der Artikelserie werden zunächst die Muster hybrider
Kriegsführung erklärt und das Verständnis der Leser im Hinblick auf
deren strategische Ausrichtung geschärft. Anschließend wird belegt, wie
dieses Vorgehen bei den US-geführten Kriegen in Syrien und in der
Ukraine, den beiden ersten Opfern hybrider Kriegsführung, angewendet
wurde. Im nächsten Teil werden die bisherigen Erfahrungen analysiert und
zur Vorhersage für die nächsten möglichen Einsatzgebiete hybrider
Kriegsführung und die wahrscheinlichsten geopolitischen Auslöser dort
genutzt. In weiteren Artikeln konzentrieren wir uns auf diese Regionen
und betrachten, warum sie strategisch und soziopolitisch besonders
gefährdet sind, um zum nächsten Opfer postmoderner US-amerikanischer
Kriegsführung zu werden.
Muster hybrider Kriege
Als Erstes muss man sich bewusst sein, dass hybride Kriege
nie gegen Verbündete der USA oder gegen Länder, in denen die USA große
infrastrukturelle Interessen hat, gerichtet sein werden. Die chaotischen
Prozesse, die während des Regime-Changes unvermeidbar sind, lassen sich
nicht kontrollieren und könnten genau die geopolitischen Rückschläge
gegen die USA auslösen, die man aus Washington direkt oder indirekt dem
Gegner zufügen möchte. Das gilt natürlich auch für Regionen, die aus
Sicht der USA „too big to fail“ sind. Auch hier werden keine hybriden
Kriege ausgelöst, wobei sich die Bewertung entsprechend der aktuellen
geopolitischen Umstände jederzeit ändern kann. Als Daumenregel gilt,
dass die USA ihre eigenen Interessen nie absichtlich sabotieren werden.
Einzige Ausnahme: Sie sehen einen Vorteil in einer Politik der
verbrannten Erde, falls man sich komplett zurückziehen muss. Dies wäre
z.B. in Saudi Arabien denkbar, falls die USA jemals gezwungen wären, den
mittleren Osten zu verlassen.
Geostrategisch-wirtschaftlicher Einfluß
Bevor man die geo-wirtschaftlichen Grundlagen hybrider
Kriege näher untersucht, muß man sich bewusst sein, dass die USA auch
eine geostrategische Basis für ihre Handlungen haben. So wollen sie z.B.
Russland in einem absehbaren Sumpf verstricken. Der „Umgekehrte Brzezinski“
wie es der Autor gerne sagt, lässt sich simultan von Osteuropa bis zum
Donbass, vom Kaukasus bis Nagorno-Karabakh und von Zentralasien bis ins
Fergana Valley anwenden. Wenn es durch zeitlich abgestimmte
Provokationen geschickt synchronisiert wird, könnte sich diese
„Dreifachfalle“ als ungeheuer effizient erweisen, den russischen Bären
permanent in Schwierigkeiten zu verstricken. Dieses Machiavelli-Schema
ist ein ständiges Risiko, da es auf geopolitischer Realität basiert. Die
beste Reaktion Moskaus darauf ist, dem Flächenbrand an den – früher
sowjetischen – Außengrenzen zuvorzukommen und auf durch die USA
provozierten Krisen zu reagieren, sobald diese aufflammen. Die
geostrategischen Elemente sind besonders im Falle Russlands nur
schwerlich von den geo-ökonomischen zu trennen. Wendet man dieses Muster
aber breiter auf Ziele wie z.B. China oder Iran an, ist es notwendig.
die „Reverse Brzezinski“ Strategie als Voraussetzung fallen zu lassen
und sich primär auf die wirtschaftlichen Interessen der USA in den
jeweiligen Ländern zu konzentrieren.
Das eigentliche Ziel
hinter jedem hybriden Krieg ist es, multipolare, transnationale,
verbindende Projekte durch von außen provozierte Identitätskonflikte
(ethnisch, religiös, regional, politisch, usw) innerhalb des betroffenen
Staates zu zerstören.
Dieses Muster lässt sich in Syrien und der Ukraine klar
erkennen. Es ist das Gesetz hybrider Kriegsführung. Die spezifischen
Taktiken und politischen Methoden, die in den jeweiligen
Destabilisierungsphasen eingesetzt werden, unterscheiden sich zwar
geringfügig, die Strategie dahinter ist jedoch die gleiche. Auf Basis
der bekannten Ziele kann man sich deren praktische Anwendung im Zuge der
Entwicklung der verschiedenen Projekte näher anschauen, die im Fokus
der USA liegen.
Um es konkret zu machen: Die Projekte können
energie-basiert, institutionaler oder ökonomischer Natur sein. Je höher
die Überschneidung der drei Kategorien, desto wahrscheinlicher ist es,
dass ein hybrides Kriegsszenario für ein spezifisches Land in Planung
ist.
Sozio-politische strukturelle Anfälligkeiten
Haben die USA ein Ziel identifiziert, wird mit der Suche
nach strukturellen Schwächen, die im zukünftigen hybriden Krieg genutzt
werden können, begonnen. Dabei geht es nicht um reale Sabotageziele wie
Elektrizitätswerke oder Straßen (diese werden von anderen
Destabilisierungsteams aber ebenfalls näher untersucht). Es geht um
sozio-politische Charakteristika, die manipuliert werden können, um
ausgewählte demografische „Unterschiede“ im bestehenden nationalen
Gebilde hervorzuheben, die später die Basis für eine „Legitimierung“
zukünftiger – von außen gesteuerter – Revolten gegen die örtlichen
Autoritäten bilden. Je
stärker sich die im folgenden genannten häufigsten sozio-politischen
strukturellen Schwächen in einer bestimmten geografischen Region häufen,
desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich zu Auslösern einer
kommenden Farbrevolution entwickeln und die Demarkationslinie für eine
spätere unkonventionelle Kriegsführung bilden.
- Ethnien
- Religion
- Geschichte
- Administrative Grenzen
- Sozio-ökonomische Unterschiede
- Physikalische Geographie
Je intensiver diese Faktoren kombiniert werden können,
desto stärker ist das Potential für einen hybriden Krieg. Jede
Kombination der Variablen erhöht die Durchfürbarkeit und die Fähigkeit,
eine Krise über einen langen Zeitraum zu entwickeln, um ein Vielfaches.
Vorbereitungen:
Die gängigste strukturelle und global eingesetzte Vorabmaßname sind Sanktionen. Sie haben das implizite – wenn auch nicht immer erfolgreiche – Ziel, das Leben der Bevölkerung zu erschweren.
Hybriden Kriegen geht immer eine Phase gesellschaftlicher
und struktureller Aktivitäten voraus. Zum einen betrifft dies Bereiche
wie Informationsverbreitung und
Soft Power (Kultur, Ideologie), die wesentlich die demographische
Akzeptanz einer kommenden Destabilisierung maximieren. Sie führen zu der
unbedingten Annahme, dass irgendeine Aktivität notwendig ist, um den
aktuellen Zustand zu verändern. Zum anderen geht es um die verschiedenen
Tricks auf die die USA zurückgreifen, in deren Folge die Regierung des
Ziellandes, die bestehenden sozio-politische Differenzen unbeabsichtigt
verschärft. Ziel ist es, die Spaltung in gegensätzliche Gruppen
voranzutreiben. Diese sind dann empfänglicher für Vorabmaßnahmen und
anschließende – durch NGOs gesteuerte – politische Organisation (was in
den meisten Fällen mit der Soros Foundation und/oder mit der National Endowment for Democracy in Verbindung steht).
Die gängigste strukturelle und global eingesetzte
Vorabmaßname sind Sanktionen. Sie haben das implizite – wenn auch nicht
immer erfolgreiche – Ziel, das Leben der Bevölkerung zu erschweren.
Unter schlechteren Lebensbedingungen stehen diese der Idee eines Regime
Changes positiver gegenüber und lassen sich durch externe Impulse
leichter in Richtung der gewünschten Aktionen lenken. Weniger bekannt ist eine eher unredliche aber nahezu immer angewendete Methode, dieses
Ziel zu erreichen. Die USA nutzen dabei ihre Möglichkeiten, die
jeweiligen Staatsbudgets zu beeinflussen – sowohl was die Höhe der
Einnahmen angeht als auch für welche Zwecke Gelder ausgegeben werden.
Der globale Preissturz im Energie-Sektor und bei anderen
Gütern hat die betroffenen Exportstaaten außergewöhnlich schwer
belastet, da sie in vielen Fällen erheblich vom Verkauf dieser Rohstoffe
abhängen, um ihre Haushaltsbudgets im Griff zu behalten. Der
Einkommenseinbruch hat nahezu überall zu Einschränkungen bei den
Sozialausgaben geführt. Parallel dazu sind einige der Staaten mit
Sicherheitsbedrohungen – herbeigeführt durch die USA – konfrontiert, auf
die sie reagieren müssen. Das führt zu einer ungeplanten Erhöhung der
Verteidigungsbudgets – und reduziert so die Höhe der Sozialausgaben
weiter. Jede dieser Maßnahmen beschränkt die Möglichkeiten der
Regierung, etwas für die Bevölkerung zu tun und schafft damit
mittelfristig die notwendigen Rahmenbedingungen, um eine Farbrevolution –
die erste Stufe hybrider Kriege – auszulösen. Der Fall, dass ein Staat
gleichzeitig Einnahmenkürzungen und unerwartete Erhöhungen bei
Verteidigungsbudget hinnehmen muss, kann die Zeitspanne bis zum Beginn
einer Farbrevolution von mittel- auf kurzfristig verkürzen, je nach dem,
wie gravierend die daraus resultierende Krise im Land und wie
fortgeschritten die Organisation einer Opposition seitens der durch die
USA beeinflussten NGOs bereits ist.
Dieser Text erschien ursprünglich am 4. März 2016 bei
OrientalReview.org
<http://orientalreview.org/2016/03/04/hybrid-wars-1-the-law-of-hybrid-warfare/>(Rechte
bei OrientalReview)
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